Werbung mit Prüfzeichen und Gütesiegeln

28. März 2022

Prüfzeichen und Gütesiegel sind ein viel genutztes Marketinginstrument. Für ihren rechtskonformen Einsatz gelten umfangreiche Anforderungen. Der Artikel gibt einen Überblick.

Wettbewerbsverstoß durch Irreführung

Prüfzeichen und Gütesiegel können über wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung irreführen und somit einen Wettbewerbsverstoß im Sinne von § 5 Absatz 1 Satz 2, Fall 2 Nr. 1 UWG begründen, sofern der Aussagegehalt, der ihnen zu entnehmen ist, nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmt.

Aussagegehalt von Prüfzeichen und Gütesiegeln

Entscheidend für die Frage einer Irreführung ist also, welcher Aussagegehalt einem jeweiligen Prüfzeichen oder Gütesiegel zu entnehmen ist. Laut BGH-Urteil vom 04.07.2019 (Az.: I ZR 161/18) wird ein Gütesiegel oder Prüfzeichen vom Verkehr dahingehend verstanden, dass ein neutraler Dritter mit entsprechender Kompetenz die beworbene Ware nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien auf die Erfüllung von Mindestanforderungen geprüft hat. Ein solches Zeichen biete aus der Sicht des Verkehrs die Gewähr, dass ein mit ihm gekennzeichnetes Produkt bestimmte, für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehene Eigenschaften aufweist.

Neutralität der verleihenden Stelle

Eine Zertifizierung aufgrund einer Selbsteinschätzung des Unternehmens oder Anbieters einer Ware oder Dienstleistung reicht also grundsätzlich nicht aus, die Prüfung muss durch einen neutralen Dritten erfolgen. Wollte man diesen Aussagegehalt eines Prüfzeichens oder Gütesiegels entkräften, müsste man hinreichend deutlich machen, dass es sich um eine Eigenbeurteilung handelt. Das aber dürfte das Prüfzeichen oder Gütesiegel als Marketinginstrument in der Regel unbrauchbar machen.

Auch die Vergabe durch die verleihende Stelle und die fortdauernde Überwachung der Siegelnutzung müssen o.g. BGH-Entscheidung zufolge neutral erfolgen. Die Zahlung einer angemessenen Gebühr für die Durchführung der Prüfung oder die Verleihung des Siegels stehe der Neutralität der Prüfeinrichtung aber nicht entgegen.

Kompetente und objektive an aussagekräftigen Kriterien orientierte Prüfung

Die Bestimmung des Verfahrens und der Prüfkriterien liegt o.g. BGH-Entscheidung zufolge grundsätzlich in der autonomen Entscheidung der vergebenden Stelle. Dabei werde es die Findung geeigneter Verfahren und Prüfkriterien begünstigen, wenn bei der Aufstellung des Prüfkonzepts einschlägige Verbände, betroffene staatliche Stellen oder fachkundige Institutionen beteiligt würden. Zwingende Voraussetzung für die Festlegung geeigneter Kriterien sei dies jedoch nicht. Es könnten auch auf andere Weise – etwa unter Bezugnahme auf anerkannte technische Standards oder Normierungen der betroffenen Produktsparte – im Einzelfall sachgerechte Kriterien festgelegt werden.

Publizität des Prüfprogramms

Die Beurteilung der Frage, ob der Verleihung eines Gütesiegels eine kompetente und an objektiven und aussagekräftigen Kriterien orientierte Prüfung vorausgegangen ist, erfordert o.g. BGH-Entscheidung zufolge die Publizität des Prüfprogramms. Die angewandten Verfahren und Maßstäbe müssten allgemein zugänglich sein.

Bereitstellung einer Fundstelle

Richtet sich die Werbung mit dem Prüfzeichen oder Gütesiegel (auch) an Verbraucher, dann sind die Prüfkriterien über eine Fundstellenangabe verfügbar zu machen. Andernfalls dürfte regelmäßig ein Wettbewerbsverstoß durch Vorenthalten von Informationen im Sinne des § 5a Absatz 2 UWG anzunehmen sein, vgl. BGH-Urteil vom 21.7.2016 (Az. I ZR 26/15).

Anwendbarkeit der vorstehenden Anforderungen

Es stellt sich die Frage, welcher Art ein Zeichen sein muss, damit ihm der vorstehend beschriebene Aussagewert beigemessen werden kann bzw. muss, dass nämlich ein neutraler Dritter mit entsprechender Kompetenz die beworbene Ware nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien auf die Erfüllung von Mindestanforderungen geprüft hat.

Feststehende Kriterien dazu, welcher Art Zeichen als Prüfzeichen oder Gütesiegel in diesem Sinne angesehen werden können, gibt es nicht. Der Eindruck kann sich aus der gestalterischen Annäherung des Zeichens an ein Siegel oder Zertifikat ergeben (z.B. durch eine Gestaltung als „Prüfstempel“) oder aus dem Zusammenhang, so bspw. aus der Einbindung eines Logos „Deutsche Allergieakademie“ in Werbung für Allergiebettwäsche, oder aus der Darstellung des Zeichens neben „echten“ Siegeln oder Zertifikaten (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 15.10.2014 (Az. 2 U 12/14). Abgesehen davon dürften die Anforderungen auch dann gelten, wenn gar kein Siegel oder Logo verwendet wird, eine vergleichbare Aussage sich aber allein aus dem Text ergibt, bspw. wenn mit der Aussage „Geprüfte Qualität“ geworben wird (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 06.02.2014, Az. 4 U 131/13). Vergleichbare Anforderungen gelten auch bei der Werbung mit Testergebnissen (speziell dazu gibt es umfangreiche Rechtsprechung mit weiteren Besonderheiten).

Weiterer Aspekt: Werbung mit Selbstverständlichkeiten

Die Werbung mit Prüfzeichen und Gütesiegeln kann außerdem als sogenannte „Werbung mit Selbstverständlichkeiten“ gegen das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot verstoßen. Das ist dann der Fall, wenn mit einer Prüfung oder Kennzeichnung, die gesetzlich vorgeschrieben ist, so geworben wird, als handele es sich um ein besonderes Qualitätsmerkmal.  Ein Beispiel ist die Werbung mit einem CE-Kennzeichen in einer Weise, die über den gesetzlich erforderlichen Hinweis auf das CE-Zeichen hinausgeht, etwa mit einer Werbeaussage „CE-geprüft“ oder mit der Darstellung des CE-Zeichens im Zusammenhang mit echten Prüfsiegeln wie GS oder TÜV (s. OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.02.2016 – I-15 U 58/15).

Fazit

Prüfzeichen und Gütesiegel müssen von einem neutralen und kompetenten Dritten nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien vergeben und fortdauernd überwacht werden, das Prüfprogramm muss publik gemacht werden und – wenn mit dem Zeichen gegenüber Verbrauchern geworben wird – über eine Fundstelle verfügbar gemacht werden. Andernfalls kann das Zeichen einen Wettbewerbsverstoß durch Irreführung begründen.
Die bezeichneten Anforderungen können auch dann gelten, wenn lediglich der Eindruck eines Prüfzeichens oder Gütesiegels erweckt wird, sowie auch dann, wenn gar kein Zeichen verwendet wird, sondern ein bloßer Werbetext mit vergleichbarer Aussage (bspw. „geprüfte Qualität“). Vergleichbare Anforderungen gelten außerdem bei der Werbung mit Testergebnissen.
Bei einer werblichen Verwendung von Zeichen, die für eine Prüfung stehen, die gesetzlich vorgeschrieben ist (bspw. „CE“-Zeichen), droht ein Wettbewerbsverstoß zudem unter dem Gesichtspunkt einer „Werbung mit Selbstverständlichkeiten“.
Wann immer damit geworben werden soll, dass eine Ware oder Dienstleistung geprüft wurde, ist also besondere Sorgfalt zur Vermeidung eines Wettbewerbsverstoßes durch Irreführung geboten.

Autor: Rechtsanwalt Marc Dimolaidis LL.M.

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