Werbung mit Selbstverständlichkeiten

19. April 2016

Auf den ersten Blick überraschend: auch Werbung mit objektiv richtigen Tatsachen kann irreführend und damit unzulässig sein.

Sind besondere Produkteigenschaften nicht vorhanden oder konkurrierende Produkte letztlich austauschbar, ist die Versuchung für Anbieter groß, Selbstverständlichkeiten werblich so herauszustellen, als handele es sich dabei um etwas Besonderes. Ähnlich ist es bei erklärungsbedürftigen Produkten, bei denen der Verbraucher nicht beurteilen kann, welche Produkteigenschaften selbstverständlich sind und welche nicht.

Wer Selbstverständlichkeiten in seiner Werbung als Besonderheiten darstellt, kann damit jedoch gegen das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot verstoßen und setzt sich daher dem Risiko kostenpflichtiger Abmahnungen aus.

Um welche verbotenen Fälle geht es zum Beispiel?

  • Werbung mit Eigenschaften, die jedes vergleichbare Produkt hat:
    Unser Honig ist naturrein und ohne künstliche Aromastoffe.”
    Im Normalfall ist jeder Honig naturrein.
  • Werbung mit Eigenschaften, die gesetzlich vorgeschrieben sind:
    Eine Kornbrennerei vertreibt „Steinhäger“ mit dem Zusatz „doppelt gebrannt“, obwohl dies für „Steinhäger“ gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 9 iVm Anl 4 AGeV).
  • Auch gesetzlich vorgeschriebene Rechte für Kunden dürfen nicht als etwas Besonderes angepriesen werden:
    Bei Online-Kauf 2 Wochen Rückgaberecht“
    Das 14-tägige Widerrufsrecht ist gesetzlich garantiert.

Wann ist das Herausstellen einer Produkteigenschaft problematisch?

Werbung darf nicht den Eindruck erwecken, das Angebot wäre etwas Besonderes, wenn tatsächlich nur auf eine Selbstverständlichkeit hingewiesen wird.

Wichtig ist dabei zunächst die Wortwahl. Problematisch können etwa Produktbeschreibungen mit Bezeichnungen wie „besonders“, „speziell“ oder „hervorragend“ sein.

Der falsche Eindruck kann aber auch durch eine besonders hervorgehobene Darstellung erzeugt werden. Bspw. suggeriert die in einem großen auffälligen Stern gefasste Werbemitteilung „Nichtkratzende Hemden“ den Käufern, dass diese Eigenschaft exklusiv nur dieses Produkt gewährleiste.

Und natürlich kann der falsche Eindruck sich auch aus dem Zusammenhang ergeben, bspw.  wenn eine selbstverständliche Produkteigenschaft in eine Auflistung besonderer Produkteigenschaften „hineingeschummelt“ wird.

Wie kann man sich absichern?

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs Az. I ZR 185/12 vom 19.03.2014 legt nahe, dass auch auffällige Darstellungen oder übertriebene Beschreibungen von Produkteigenschaften für Kunden als eine Selbstverständlichkeit erkennbar bleiben können. Dies gelang in dem Urteil des BGH durch die relativierende Formulierung „Für alle Produkte gilt selbstverständlich ebenfalls die gesetzliche Gewährleistungsfrist von 2 Jahren“.

Alternativ können Zusätze wie: „wie immer“, „handelsüblich“ oder „natürlich“ verwendet werden, um einen falschen Eindruck zu vermeiden.

Auch sollte auf eine klare räumliche Trennung von Werbeaussagen über Besonderheiten und solchen über Selbstverständlichkeiten geachtet werden.

Autor: Rechtsassessor Martin Sterling im Auftrag der Kanzlei Dimolaidis

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