21. September 2017
Der BGH gibt in seinem Urteil vom 01.03.2016 (Az. VI ZR 34/15) eine Orientierung dazu, wie der Portalbetreiber bei Beschwerden gegen anonyme Bewertungen zu verfahren hat. Im Streitfall ging es um ein Ärztebewertungsportal (Jameda). Besondere Relevanz hat die Entscheidung in all jenen Fällen, in denen die Bewertung Persönlichkeitsrechte betrifft, also insbesondere bei der Bewertung einzelner Personen.
Streitfall: Nutzerbewertung echt oder unecht?
Im zugrundeliegenden Fall ging es um die Ärzte-Bewertungsplattform Jameda. Dort erhielt ein (Zahn-)Arzt eine negative Bewertung, bei der er in den Kategorien „Behandlung“, „Aufklärung“ und „Vertrauensverhältnis“ die Note 6 bekam und damit die Schlechtmöglichste. Ausführungen zu den Hintergründen dieser schlechten Bewertung waren im Bewertungstext nicht enthalten. Der Arzt wandte sich an Jameda und verlangte, dass die Bewertung entfernt wird. Als die Beschwerde erfolglos blieb, teilte er Jameda anwaltlich mit, eine Behandlung habe wahrscheinlich gar nicht stattgefunden, und forderte Jameda auf, ihm Auskunft zu erteilen, in welcher Weise der Nutzer den Behandlungskontakt belegt habe. Jameda entgegnete, man habe den Nutzer zur Stellungnahme aufgefordert und der Nutzer habe die Bewertung bestätigt. Nutzerdaten könne man aber nicht herausgeben.
Hohe Anforderungen an die Prüfpflichten
Der BGH stellte zunächst fest, dass Jameda nicht als unmittelbarer Störer haftet, da die Plattform sich die fremden Inhalte nicht „zu eigen“ machte. Allerdings kommt eine Haftung als mittelbarer Störer in Betracht, wenn Prüfpflichten des Plattformbetreibers verletzt werden. Vorliegend befand der BGH, dass hohe Anforderungen an die Prüfpflicht des Plattformbetreibers zu stellen waren, unter anderem deshalb, weil ein Ärztebewertungsportal, im Vergleich etwa zu Nachrichtenportalen, ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen mit sich bringt und die Bewertungen anonym abgegeben werden konnten. Im Streitfall kam hinzu, dass die angegriffene Bewertung mit der Note „ungenügend“ in drei zentralen Bereichen geeignet war, die Chancen des Klägers im Wettbewerb mit anderen Ärzten nachhaltig zu beeinträchtigen.
Möglichst umfassende Aufklärung
Vor diesem Hintergrund hätte Jameda dem BGH zufolge die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden und diesen zur Stellungnahme anhalten müssen. Weiter hätte Jameda den Bewertenden auffordern müssen, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben und ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa vorhandene Rechnungen, Terminkarten und -zettel, Eintragungen in Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien möglichst umfassend – ggf. teilweise geschwärzt – zu übermitteln. Weiter hätte Jameda dem Arzt diejenigen Informationen und Unterlagen über den behaupteten Behandlungskontakt weiterleiten müssen, zu deren Weiterleitung Jameda ohne Verstoß gegen Datenschutzrecht in der Lage gewesen wäre.
Wahrung der Anonymität des Nutzers
So erschließe sich etwa nicht, warum Jameda dem Arzt den aus der Stellungnahme des Bewertenden ersichtlichen Behandlungszeitraum nicht mitgeteilt habe. Wenn zu befürchten gewesen wäre, dass der Arzt den Bewertenden anhand des Behandlungszeitraums hätte identifizieren können, so hätte Jameda zumindest ein größeres Zeitfenster mitteilen können. Solche Angaben zum Behandlungszeitraum hätten dem Arzt etwa dann helfen können, wenn der Behandlungszeitraum in die Zeit einer urlaubs- oder krankheitsbedingten Abwesenheit des Arztes fiel.
Fazit
Die Entscheidung ist zunächst relevant für Portale, bei denen Personen anonym bewertet werden können, also Persönlichkeitsrechte betroffen sind (ob und in welchem Umfang sie auch für sonstige Bewertungen Bedeutung erlangt, bleibt abzuwarten). Hier gibt sie eine Orientierung an die Hand, wie der Portalbetreiber mit Beschwerden von Betroffenen gegen eine Bewertung umgehen sollte: Er sollte je nach Ausgangssituation möglichst umfassend auf eine Aufklärung hinwirken und dazu zielführende Informationen und ggf. geschwärzte Belege beim Bewertenden anfordern. Diese sollte er an den Betroffenen weiterleiten, soweit die Anonymität des Bewertenden dem Betroffenen gegenüber dadurch nicht preisgegeben wird. Offen bleibt dabei freilich die Frage, ob die Anonymität des Bewertenden auch dann noch gewahrt werden darf, wenn die Echtheit der Bewertung sich ohne Preisgabe der Anonymität im Ergebnis nicht aufklären lässt.
Autoren:
Martin Spieß (freier jur. Mitarbeiter der Kanzlei Dimolaidis) / Rechtsanwalt Marc Dimolaidis
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