Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Anfertigung nach Kundenspezifikation

3. September 2014

In vielen Online-Shops besteht die Möglichkeit, Produkte individuell zu konfigurieren. Nachstehend wird ein Überblick über die Rechtsprechung zu der Frage gegeben, unter welchen Voraussetzungen aufgrund einer Kundenspezifikation das Verbraucher-Widerrufsrecht ausgeschlossen sein kann. Gemäß § 312g Absatz 2 Nr.1 BGB besteht das Widerrufsrecht nicht bei Verträgen

„zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind.“

Der BGH konkretisiert dazu in seinem Urteil vom 19.3.2003, Az. VIII ZR 295/01 wie folgt:

  • Lässt sich die Ware ohne Einbuße an Substanz und Funktionsfähigkeit ihrer Bestandteile mit verhältnismäßig geringem Aufwand wieder in den Zustand vor der Anfertigung versetzen, liegt schon aus diesem Grund eine das Widerrufsrecht des Verbrauchers ausschließende Anfertigung nach Kundenspezifikation nicht vor.
  • Darüber hinaus müssen die Angaben des Verbrauchers, nach denen die Ware angefertigt wird, die Sache so individualisieren, dass diese für den Unternehmer im Falle ihrer Rücknahme deshalb (wirtschaftlich) wertlos ist, weil er sie wegen ihrer vom Verbraucher veranlassten besonderen Gestalt anderweitig nicht mehr oder nur noch mit erheblichen Schwierigkeiten oder Preisnachlässen absetzen kann.

Auf Grundlage dieser Kriterien haben Gerichte unter anderem wie folgt entschieden:

  • LG Düsseldorf (LG Düsseldorf, Urteil vom 12.02.2014, Az.: 23 S 111/13): Kein Widerrufsrecht bei einem Sofa, bei dem der Kunde zwischen 578 Gestaltungsvarianten wählen kann und das erst auf die Bestellung des Kunden hin angefertigt wird. Die Anfertigung des Sofas, so das Gericht, beschränkte sich nicht auf die Zusammenfügung bereits vorgefertigter Standardbauteile und es sei auch nicht ersichtlich, wie die Anfertigung rückgängig gemacht werden könnte. Dass es sich nicht um ein fertiges Standardprodukt handele, sei dem Käufer beim Kauf auch erkennbar gewesen (u.a. aufgrund der Lieferzeit von 12-16 Wochen).
  • LG Hannover (Urteil vom 20.03.2009, Az. 13 S 36/08): Kein Ausschluss des Widerrufsrechts bei auf Felgen gezogenen Reifen [Kompletträdern], wenn lediglich vorgetragen wird, dass die Felgen bei der Demontage eine Substanzveränderung erleiden und nicht mehr als neuwertig veräußert werden könnten. Vielmehr hätte ggf. dargelegt werden müssen, dass die Reifen bzw. Felgen z.B. nur unter Gewährung eines erheblichen – unzumutbaren – Preisnachlasses weiter veräußert werden könnten.
  • BGH (o.g. Urteil vom 19.3.2003): Kein Ausschluss des Widerrufsrechts bei einem im Baukastensystem nach den Wünschen des Kunden ausgestatteten und konfigurierten Notebooks, bei dem die vom Käufer veranlasste Herstellung des Notebooks ohne weiteres (durch Entkonfiguration und Zerlegung) rückgängig gemacht werden konnte. Der hierfür erforderliche Aufwand von drei Arbeitsstunden à 150,- DM, der sich im vorliegenden Fall auf weniger als 5 % des Warenwerts belief, sei zumutbar.

Fazit:

Die Anforderungen an den Ausschluss des Widerrufsrechts aufgrund Kundenspezifikation sind vergleichsweise hoch. Insbesondere reicht es nicht aus, dass eine Rückversetzung der Kaufsache in den Ausgangszustand mit Beeinträchtigungen der Kaufsache und/oder mit Zeitaufwand verbunden ist. Vielmehr ist erforderlich, dass der Aufwand für die Rückgängigmachung erheblich ist und dass ein anderweitiger Absatz der Kaufsache nur noch mit erheblichen Schwierigkeiten oder Preisnachlässen möglich ist.

Autor: RA Marc Dimolaidis, LL.M.

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