Neue Vorgaben zur Barrierefreiheit von Websites und Apps

10. Februar 2025

Am 28.6.2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft, wonach bestimmte Produkte und Dienstleistungen barrierefrei sein müssen. Dazu zählen auch bestimmte Websites und mobile Apps, insbesondere – aber nicht ausschließlich – Online-Händler. Für Kleinstunternehmen gelten Ausnahmen. Mit dem BFSG wird die Richtlinie (EU) 2019/882 vom 17.4.2019 (European Accessibility Act) in Deutschland umgesetzt.

Anwendungsbereich des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG)

Das BFSG gilt zum einen für bestimmte Produkte, nämlich – jeweils nach näherer Maßgabe von § 1 Absatz 2 und 4 BFSG – für bestimmte Hardwaresysteme und Betriebssysteme, für bestimmte Selbstbedienungsterminals, für bestimmte Verbraucherendgeräte sowie für E-Book-Lesegeräte..

Zum anderen gilt das BFSG für bestimmte Dienstleistungen, nämlich – jeweils nach näherer Maßgabe von § 1 Absatz 2 und 4 BFSG – für bestimmte Telekommunikationsdienste, für bestimmte Elemente von bestimmten Personenbeförderungsdiensten, für Bankdienstleistungen, für E-Books und hierfür bestimmte Software sowie für Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr. Diese letztgenannte Kategorie ist für Websites und Apps relevant, dazu weiter unten ausführlicher.

Ausgenommen sind allerdings Dienstleistungen von Kleinstunternehmen. „Kleinstunternehmen“ in diesem Sinne ist ein Unternehmen, das weniger als zehn Personen beschäftigt und das entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielt oder dessen Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen Euro beläuft.

Eine weitere Ausnahme besteht nach näherer Maßgabe von § 16 BFSG, wenn die Einhaltung der Barrierefreiheit eine wesentliche Änderung eines Produkts oder einer Dienstleistung erfordert, die zu einer grundlegenden Veränderung der Wesensmerkmale des Produkts oder der Dienstleistung führen würde. Bei Inanspruchnahme dieser Ausnahme sind allerdings – außer bei Kleinstunternehmen, die mit Produkten befasst sind – die Marktüberwachungsbehörden zu unterrichten.

Teilweise gelten Übergangsfristen. Diese dürften für eine ggf. erforderliche barrierefreie Ausgestaltung von Websites oder Apps jedoch allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Rolle spielen.

Insbesondere: Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr

Besonders relevant – weil für eine Vielzahl von Websites und Apps anwendbar – ist dabei die o.g. Kategorie der Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr. Das sind nach der gesetzlichen Definition in § 2 Nr. 26 BFSG:

„Dienstleistungen der Telemedien, die über Webseiten und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden.“

Darunter fällt jedenfalls der Online-Verkauf jeglicher Produkte oder Dienstleistungen an Verbraucher, genauer gesagt die Webseiten und mobilen Anwendungen, durch die den Verbrauchern die Angebote vorgestellt werden sowie Buchungen und Zahlungen getätigt werden können.

Bei den Verbraucherverträgen im Sinne der o.g. gesetzlichen Definition kann es sich aber auch um unentgeltliche Verbraucherverträge handeln. In Betracht kommt als Verbrauchervertrag also etwa auch die Registrierung auf einer Website oder in einer App.

Überdies kommen auch Interaktionsmöglichkeiten, die den Abschluss eines Verbrauchervertrages lediglich vorbereiten, wie bspw. Online-Terminbuchungsoptionen oder anderweitige Kontaktaufnahmemöglichkeiten in Betracht. Die Beurteilung, wie weit der Kreis der vom BFSG erfassten Interaktionsmöglichkeiten zu ziehen ist, ist in der Praxis nicht einfach, denn letztlich dient ja jede Website bzw. mobile  App und damit auch jede dort eingebundene Interaktionsmöglichkeit eines Unternehmens, das Verbrauchern Produkte oder Dienstleistungen anbietet, mehr oder weniger mittelbar dem Abschluss eines Verbrauchervertrages.

Ausgenommen sind jedenfalls reine Präsentationsseiten oder Blogs oder informatorische Inhalte, die nicht im Zusammenhang mit einem Vertragsabschluss oder einem Verkaufsprozess stehen.

Immer erforderlich ist im Hinblick auf die o.g. gesetzliche Definition („…auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers…erbracht werden“) ein interaktives Element.

Unterschiedlich beurteilt wird die Frage, ob eine Website bzw. mobile App, die Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr enthält, infolgedessen insgesamt, also mitsamt ihrer sämtlichen Bestandteile, barrierefrei zu gestalten ist, oder ob dies vielmehr nur für abgrenzbare Teile der Website bzw. App, die die relevanten Elemente enthalten, gilt. Sachgerecht ist m.E. letztere Auffassung. Wer sicher gehen will, wird allerdings die gesamte Website bzw. App barrierefrei gestalten müssen.

Anforderungen an die Barrierefreiheit

Gemäß § 3 Absatz 1 BFSG sind Produkte und Dienstleistungen barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.

Die konkreten Anforderungen richten sich nach der Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV).

Was Webseiten anbelangt, einschließlich der zugehörigen Online-Anwendungen und auf Mobilgeräten angebotenen Dienstleistungen, einschließlich mobiler Apps, so müssen diese gemäß § 12 Nr. 3 BFSGV auf konsistente und angemessene Weise wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet werden. Insoweit ist vor allem die harmonisierte Norm (EN) 301 549 relevant, die ihrerseits auf die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) – einen internationalen Standard zur barrierefreien Gestaltung von Internetangeboten – verweist.

Fazit

Betreiber von Websites und mobilen Apps sollten zunächst überprüfen, ob sie die Schwelle der Kleinstunternehmen nach dem BSFG überschreiten. Wenn ja, dann wäre weiter zu prüfen, ob auf der Website oder App Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr erbracht werden. Das ist insbesondere beim Online-Verkauf an Verbraucher der Fall. In Betracht kommen aber auch andere Interaktionsmöglichkeiten wie bspw. eine Online-Terminbuchung. Generell sollte eine Anwendbarkeit des BFSG immer dann geprüft werden, wenn auf der Website oder App interaktive Elemente eingebunden sind, die im Zusammenhang mit dem Abschluss von Verträgen mit Verbrauchern stehen. Dabei kann es sich auch um unentgeltliche Verträge handeln.

Unabhängig davon unterfallen eine Reihe von Produkten und Dienstleistungen bereits ihrer Art nach dem BFSG und sind dementsprechend barrierefrei zu gestalten. Das gilt bspw. für bestimmte Verbraucherendgeräte oder bestimmte Telekommunikationsdienste.

Rechtsanwalt Marc Dimolaidis LL.M.