3. Oktober 2022
Weicht die Kaufsache beim Verkauf an Verbraucher von den „objektiven Anforderungen“ ab, so sind nach neuer Gesetzeslage beim Verkauf besondere Vorgaben zu beachten. Andernfalls gilt die Sache als mangelhaft und entstehen dem Käufer die gesetzlichen Gewährleistungsrechte.
1.) Die Regelung im Überblick
Will der Verkäufer bei einer Abweichung der Kaufsache von den „objektiven Anforderungen“ vermeiden, dass diese Abweichung als Mangel der Kaufsache einzuordnen ist, so muss er nach neuer Gesetzeslage Folgendes tun:
- den Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis setzen, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht,
- die Abweichung im Vertrag mit dem Verbraucher ausdrücklich und gesondert vereinbaren.
Andernfalls gilt die Sache als mangelhaft und entstehen dem Käufer die gesetzlichen Gewährleistungsrechte.
Diese Vorgaben gelten nur beim Verkauf an Verbraucher, also nur dann, wenn der Kauf zu Zwecken erfolgt, die überwiegend weder der gewerblichen noch der selbständigen beruflichen Tätigkeit des Käufers zugerechnet werden können.
2.) Was sind die „objektiven Anforderungen“?
Zu den o.g. „objektiven Anforderungen“ heißt es in § 434 Absatz 3 BGB:
„Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, entspricht die Sache den objektiven Anforderungen, wenn sie
1. sich für die gewöhnliche Verwendung eignet,
2. eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung
a) der Art der Sache und […..]“
Zu der üblichen Beschaffenheit gehören Menge, Qualität und sonstige Merkmale der Sache, einschließlich ihrer Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit.
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- Beispiel:
Der Käufer eines Gebrauchtwagens grundsätzlich erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall mit mehr als Bagatellschäden erlitten hat.
- Beispiel:
Auch öffentliche Äußerungen des Verkäufers oder eines anderen Glieds der Vertragskette, bspw. des Herstellers, können bei der Beurteilung, welche Beschaffenheit der Käufer erwarten kann, eine Rolle spielen.
Bei Waren mit digitalen Elementen (bspw. Smart-TV mit bestimmter Video-Anwendung) zählt zu den objektiven Anforderungen beim Verkauf an Verbraucher zusätzlich eine Aktualisierungspflicht (dazu demnächst ausführlicher in einem gesonderten Update).
3.) Wie ist der Verbraucher in Kenntnis zu setzen?
Wie kann nun die eingangs genannte Inkenntnissetzung des Verbrauchers über die Abweichung von den objektiven Anforderungen erfolgen?
Zum einen muss sie vor der Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers (im Regelfall also seiner Bestellung) erfolgen.
Zum anderen muss der Verbraucher „eigens“ von der Abweichung in Kenntnis gesetzt werden. Hier wird von dem Verkäufer ein „Mehr“ im Vergleich zu der Übermittlung der anderen vorvertraglichen Informationen verlangt. Insbesondere genügt es nicht, die Abweichung nur als eine von mehreren Eigenschaften der Kaufsache in der Produktbeschreibung anzuführen
Im Online-Handel dürfte zur Umsetzung der Inkenntnissetzung eine Angabe in der Produktbeschreibung ausreichen, wenn sie gestalterisch hervorgehoben wird und die Produktbeschreibung zwingend zu durchlaufen ist, bevor der Verbraucher die Bestellung einleiten kann.
4.) Wie ist die vertragliche Vereinbarung zu gestalten?
Für die eingangs genannte vertragliche Vereinbarung über die Abweichung gilt: Die Abweichung muss in den Vertragsunterlagen hervorgehoben werden, damit der Verbraucher sie bewusst in seine Kaufentscheidung einbezieht. Es reicht daher nicht aus, die Abweichung neben zahlreichen anderen Vereinbarungen in einen Formularvertrag oder separate Allgemeinen Geschäftsbedingungen einzustellen. Die Vertragsunterlagen müssen vielmehr so gestaltet sein, dass dem Verbraucher bei Abgabe seiner Vertragserklärung bewusst wird, dass er eine Kaufsache erwirbt, die von den objektiven Anforderungen an die Vertragsgemäßheit abweicht oder abweichen kann.
Im Online-Handel wäre eine Möglichkeit, auf der Webseite ein Kästchen oder eine Schaltfläche vorzusehen, das die Verbraucher anklicken oder auf andere Weise betätigen können (ein vorangekreuztes Kästchen würde nicht ausreichen).
5.) Fazit und Handlungsempfehlung
Der Händler sollte klären, ob bei einzelnen seiner Waren jeweils Abweichungen von den objektiven Anforderungen bestehen (gemäß Ziffer 2. dieses Artikels).
Wenn ja: Will der Händler vermeiden, dass der Verbraucher wegen der Abweichung Gewährleistungsrechte geltend machen kann, wäre Folgendes zu tun:
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- den Verbraucher in der Artikelbeschreibung von der Abweichung in Kenntnis setzen (gemäß Ziffer 3. dieses Artikels)
- mit dem Verbraucher per Checkbox eine Vereinbarung über die Abweichung treffen (gemäß Ziffer 4. dieses Artikels)
Rechtsanwalt Marc Dimolaidis LL.M.